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Ausblick für 2023: Globale und thematische Aktien

Die Börsen dürften zwar auch künftig Wertschwankungen ausgesetzt sein, doch für Anleger gibt es Licht am Ende des Tunnels.

08.12.2022
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Authors

Alex Tedder
Leiter Global Equities und Fondsmanager von Schroder ISF Global Disruption

Das Jahr 2022 begann mit einem Krieg in Europa, und die meisten Marktteilnehmer würden dies lieber vergessen.

Putins Einmarsch in die Ukraine verursachte einen gewaltigen Kostenanstieg für Energie und Lebensmittel. Das geschah, als die Lieferkettenengpässe nach der Pandemie bereits einen erheblichen Druck auf die weltweiten Preise ausübten. Die Währungshüter, deren Aufgabe es meist ist, die Teuerungsrate in Schach zu halten, sahen sich mit einem ungezügelten Kosten- und Preiszuwachs konfrontiert.

Ebenso – und dies ist ungewöhnlich – mussten sie sich einer wenig beneidenswerten Aufgabe stellen: trotz äußerst niedriger Arbeitslosigkeit das Lohnwachstum in den meisten großen Volkswirtschaften einzudämmen. Der Spielraum für Fehler war und ist groß.

Keine Rückkehr in die 1970er-Jahre, selbst wenn es manche befürchten

Die Gesamtinflation vieler Länder ist zum Zeitpunkt, als dieser Artikel verfasst wurde, immer noch hoch oder steigt an. Die Befürchtungen sind gerechtfertigt, dass die Maßnahmen der Zentralbanken nicht ausreichen, um den Forderungen nach Lohnsteigerungen entgegenzuwirken. Eine Rückkehr zur Stagflation (stagnierendes Wachstum / hohe Inflation) ist in aller Munde.Der Preisschock von 2022 ist in gewisser Weise mit dieser Ära vergleichbar. Gleichzeitig ist allerdings festzustellen, dass die zugrunde liegende Inflation (häufig als „Kerninflation“ bezeichnet) sich bereits abschwächt. Diese Entwicklung dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen. Die Lage der Lieferketten entspannt sich, Kreditkosten steigen, Einkommen der Verbraucher fallen und Immobilienpreise sinken, wodurch sich die Weltwirtschaft abkühlt und die Nachfrage abnimmt.

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In Anbetracht dieser Tatsache könnten auch die Lohnforderungen zurückgehen. Zahlreiche Beobachter weisen auf den kontinuierlichen Mangel an Arbeitskräften in vielen Ländern und die rasche Zunahme von Streiks als Gründe hin, um der Lohninflation mit Vorsicht zu begegnen. Infolge der Konjunkturflaute gehen wir allerdings von einer besseren Arbeitsflexibilität aus. Unternehmen werden zweifellos Neueinstellungen verschieben und Stellen abbauen. Dieser Trend zeichnet sich bereits spürbar im Technologiesektor ab. Die Rhetorik des Managements hat hier plötzlich die wirtschaftliche Realität eingeholt.

Es ist außerdem möglich, dass sich die Erwerbsquote erholt, die aktuell auf dem tiefsten Stand liegt. Viele über 50-Jährige entscheiden sich erneut, an den Arbeitsmarkt zurückzukehren.

In Anbetracht der jüngsten Fortschritte dürfte es schließlich wahrscheinlich sein, dass Arbeitskräfte durch die Automatisierung rascher ersetzt werden.

Insgesamt betrachtet dürfte es nicht zu einer Massenarbeitslosigkeit kommen. Es ist aber durchaus möglich, dass ein Anstieg der offenen Stellen und eine moderate Zunahme der Erwerbstätigen die künftigen Lohnkosten deckeln.

Angst vor einer tiefen Rezession möglicherweise unbegründet

Ein anhaltender konjunktureller Einbruch ist angesichts des oben Gesagten unvermeidbar, aber die Furcht vor einer tiefen Rezession könnte zumindest in einigen Ländern unbegründet sein. Verbraucher sind wegen der sehr niedrigen Arbeitslosigkeit in der Lage, die höheren Kosten zu verkraften. Die Bezuschussung der Energierechnungen seitens des Staates federn die Auswirkungen außerdem ab. Auffallend ist, dass Privathaushalte während der Pandemie Ersparnisse aufgebaut haben. Für viele Verbraucher ist dies ein Puffer, der selbstverständlich für die ärmsten Einkommensgruppen nicht ausreicht.

Ähnlich verhält es sich bei Unternehmen, deren Fremdverschuldung relativ niedrig und von überdurchschnittlich langer Dauer ist.

Was können wir daraus ableiten? Die wesentlichen wirtschaftlichen Herausforderungen bleiben bestehen, die Inflation ist eventuell weniger hartnäckig und der Konjunkturabschwung nicht so gravierend, wie von vielen erwartet. Dies dürfte am ehesten auf die USA zutreffen, die praktisch energieautark sind und davon profitieren, dass fast alle wichtigen Rohstoffe in US-Dollar notiert werden, und eine positive Einwanderung aufweisen. Differenzierter verhält es sich in Europa einschließlich Großbritannien.

Gewinnrückgang

Es sei dahingestellt, ob es zu einer Rezession kommt oder nicht: Die Gewinnprognosen müssen nach unten korrigiert werden. Interessant am aktuellen Marktzyklus ist, dass einerseits die Aktienkurse eingebrochen sind, aber andererseits die Gewinne bisher meist bemerkenswert robust waren. Der Grund dafür ist die Preisgestaltung.

Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks konnten problemlos Preiserhöhungen durchsetzen. Hierzu einige Beispiele im Vergleich: Pepsi verzeichnete im dritten Quartal ein Plus von 17 %. Louis Vuitton und Nestlé führten zweistellige Preiserhöhungen ohne unmittelbare Auswirkungen auf die Absatzmengen durch.

Verbraucher sind offenbar bereit, für Premiumprodukte zu bezahlen, weshalb sich in diesen speziellen Fällen die Einnahmen durchaus halten können. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis sich das Zünglein an der Waage nach unten neigt und die Nachfrage sinkt.

Frühindikatoren von Amazon und Target in den USA sowie M&S, H&M und Primark in Europa zeigen bereits, dass Verbraucher den Gürtel enger schnallen.Einnahmen und Margen (außer Energieunternehmen) dürften 2023 sinken. Dadurch entsteht ein regelrechter Zyklus der Gewinnherabstufungen, der noch vollständig zu berücksichtigen ist.

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Nach den obigen Ausführungen mag es schwer erscheinen, den Boden zu finden, aber wir sind der Ansicht, dass der derzeitige Bärenmarkt fast vorbei ist. Ein Vorbehalt ist jedoch anzumerken: Wertschwankungen dürften noch einige Zeit hoch bleiben.

Die Konsensprognose der S&P 500-Gewinne pro Aktie von 225 und 235 US-Dollar ist nach wie vor hoch. Nach unserer Einschätzung wird sie in den kommenden Monaten voraussichtlich stetig nach unten korrigiert werden. Die Talsohle dürfte im dritten Quartal 2023 erreicht werden.

Die Börsen haben den Blick aber stets in die Zukunft gerichtet. Ein Gewinneinbruch wird gewöhnlich sechs bis neun Monate im Voraus eingepreist. Die jüngste Kurserholung – der Dow-Index verzeichnete im Oktober beispielsweise seinen besten Monat seit 1976 – der globalen Aktienmärkte fundiert auf Logik, obwohl wir die kürzliche Rallye für einen Fehlstart halten.Vorübergehend könnte es zu weiteren Enttäuschungen kommen, da der Rentabilitätsdruck deutlicher wird.

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Risiken und Renditen

Bisher haben wir die anhaltenden geopolitischen Risiken noch nicht angesprochen: die Eskalation in der Ukraine, eine mögliche weitere Senkung der Gaslieferungen Russlands nach Europa und Chinas Haltung gegenüber Taiwan. Es könnte also zu Ereignissen von großer Tragweite kommen, die sich nicht mit Sicherheit vorhersagen lassen. 

Jede dieser Entwicklungsmöglichkeiten würde die weltweiten Märkte stark beeinträchtigen. Man kann nur hoffen, dass gesunder Menschenverstand die Oberhand behält.

Ganz abgesehen davon werden die Ereignisse des vergangenen Jahres bestimmte Trends noch verstärken, die sich schon vor der aktuellen Krise abzeichneten.

Die Sicherheit, ganz gleich, ob nationale, Energie-, Lebensmittel- oder Cybersicherheit, spielt für Staaten und Unternehmen eine deutlich wichtigere Rolle als in den vergangenen zehn Jahren. Russlands Taten haben bewiesen, dass die Energieabhängigkeit von einem unberechenbaren Partner katastrophal sein kann. China dürfte auch künftig ein viel rationaler, maßvollerer Akteur sein als Russland, dennoch betreibt Präsident Xi eindeutig Expansionspolitik.

Versorgungssicherheit gewährleisten

Staaten und Unternehmen haben die Ausgaben für eine bessere Versorgungssicherheit drastisch erhöht. Dies gelang auf unterschiedliche Art und Weise: Zurückholen oder Verlagerung der Produktionsstätten, Förderung neuer Produktionsmethoden von Lebensmitteln und der Schutz strategischer Branchen wie Halbleiter, Software oder Biotechnologie. Eine Art Polarisierung zwischen West und Ost scheint in diesen Geschäftsfeldern unvermeidlich.

Wir legen den Fokus auf Unternehmen, die in einem schwierigen Umfeld bei angemessenem Risikoniveau erfolgreich sind. Davon befinden sich viele in den oben beschriebenen Sektoren, deren strukturellen Wachstumsraten deutlich höher sind als früher.

Während sich der anhaltende Bärenmarkt durchsetzt, führen wir Research in mehreren Bereichen durch, die seit einiger Zeit in Ungnade gefallen sind, wie etwa Japan.

Wir schließen mit einer erstaunlichen Enthüllung: Dank der niedrigen Lohninflation und einer äußerst wettbewerbsfähigen Währung ist es mittlerweile billiger, einen Softwareentwickler in Tokio einzustellen als in Bangalore.

Es gibt immer irgendwo auf der Welt Möglichkeiten.

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