Warum Unternehmenskultur wichtig ist – und wie man sie bewertet

Warum Unternehmenskultur wichtig ist – und wie man sie bewertet
Kultur ist ein schwer greifbares Konzept. Wir sind uns alle einig, dass sie wichtig ist, aber mehr auch nicht. Kultur wird als informelle Institution innerhalb eines Unternehmens verstanden: Werte und Normen, die das Verhalten über explizite Bestimmungen oder Richtlinien hinaus bestimmen. Die Unternehmenskultur motiviert bestimmte Verhaltensweisen ohne Belohnung oder Bestrafung. Sie hat viel mit der Einstellung zu tun und weniger mit offiziellen Richtlinien.
Warum ist Unternehmenskultur wichtig?
Die Kultur eines Unternehmens beeinflusst seine Fähigkeit, innovativ zu agieren und auf unvorhergesehene Probleme zu reagieren. Sie bestimmt, ob Diskussion und Widerspruch möglich sind. Eine offene Kultur verringert das Risiko für Betrug und das Verheimlichen von Fehlern.
So hatte etwa Barings, die ehemalige britische Investmentbank, eine Unternehmenskultur, in der Fehler nicht geduldet wurden.Anstatt also einen Fehler sofort einzugestehen, versuchte der 28-jährige Trader Nick Leeson das Geld, das er durch nicht autorisierte Spekulationen verloren hatte, wieder einzutreiben und trieb das Unternehmen 1995 in den Bankrott.
Wie bewertet man die Wirksamkeit einer Unternehmenskultur?
Die von einem Unternehmen artikulierte Kultur sollte eher als Ziel (oder als Marketing) verstanden und nicht für bare Münze genommen werden. Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, ob die Unternehmen ihren Worten auch Taten folgen lassen. Eine Studie des MIT ergab, dass 80 % der großen Unternehmen ihre Unternehmenswerte auf ihrer Website veröffentlichen. Die offiziellen Aussagen und die Ansichten der Mitarbeitenden korrelieren jedoch kaum oder sogar negativ.
Review-Websites für Angestellte
Die beste Datenquelle für die Bewertung von Unternehmen durch ihre Mitarbeitenden ist die Website Glassdoor. Über eine Million Arbeitgeber weltweit wurden bislang von 70 Millionen Mitarbeitenden bewertet. Glassdoor hat ihre Schwächen. Die Website profitiert jedoch von Richtlinien und Standards, die die Polarisierung von Ergebnissen nachweislich reduzieren und Unternehmen vom Betrug abhalten sollen.
Solche Websites sind nur eine der vielen Quellen, die zur Analyse der Unternehmenskultur herangezogen werden. Wir haben uns bei der Einflussnahme auf Unternehmen oft auf Kommentare von Mitarbeitenden bezogen, die auf Glassdoor veröffentlicht wurden.
Wissenschaftliche Forschung:
Culture500 ist ein vom MIT entwickeltes Tool, das US-Unternehmen über Glassdoor profiliert. Das Tool analysiert Unternehmen, die insgesamt über 30 Millionen Menschen beschäftigen, mehr als ein Viertel der Angestellten im US-Privatsektor. Für jedes Unternehmen sucht das Tool Bewertungen für die neun am häufigsten genannten Werte und analysiert diese nach Häufigkeit (der Anteil der Bewertungen, der diesen Wert erwähnt) und Stimmung (positiv oder negativ). Das Ergebnis können wir mit offiziellen Corporate Statements vergleichen, um einen ersten Eindruck über die Unternehmenskultur zu erhalten.
Die unten stehende Abbildung zeigt dies beispielsweise für Amazon: Es wird nur wenige überraschen, dass Amazon zwar in puncto Innovation hervorragend abschneidet, aber für fehlenden Respekt kritisiert wird.Das steht im Einklang mit dem, was wir in der Presse lesen und von Informanten über den Umgang mit Lagerarbeitern hören.
Bei Alphabet sehen wir, dass die positiven Kommentare zu Innovation überraschend negativen Kommentaren in puncto Agilität gegenüberstehen. Generell werden Werte wie Respekt, Vielfalt und Zusammenarbeit besser bewertet als bei Amazon. Das ist vor dem Hintergrund der Mitarbeiterproteste in der Vergangenheit wegen Diskriminierung eine gewisse Bestätigung. Big Tech hat interessanterweise weniger Integrität als alle anderen Sektoren, wenn es darum geht, seine Werte umzusetzen.
Mapping von Culture500
Mitarbeiterfluktuation
Und Unternehmen, die auf diesen Websites nicht vertreten sind? Ein alternativer Ansatz wäre, die Unternehmenskultur anhand von messbaren Faktoren, wie beispielsweise die Mitarbeiterfluktuation, besser zu verstehen. Wenn Mitarbeitende einem Unternehmen treu sind und lange dort arbeiten, ist das ein gutes Zeichen.
Vielfalt in einem Unternehmen deutet ebenfalls darauf hin, dass dort Respekt und Zusammenarbeit ernstgenommen werden.
Wie können Anleger die Unternehmenskultur beeinflussen?
Die Unternehmenskultur lässt sich nicht von außen aufdrängen. Selbst wenn Anleger darauf Einfluss nehmen könnten, wäre das nicht unbedingt sinnvoll. Anleger spielen eher eine Rolle, wenn es wirklich augenfällige Probleme gibt. In solchen Fällen können wir in einem Gespräch mit der Geschäftsleitung auf eine neue Führung oder Veränderungen der Incentivierungsstruktur drängen, um den Grundstein für Veränderungen der Unternehmenskultur zu legen. So haben wir beispielsweise Finanzinstitute in unserem Portfolio kontaktiert, um sicherzustellen, dass das Vertriebspersonal nicht in erster Linie anhand von quantitativen Zielen entlohnt wird, was exzessive Risikobereitschaft oder Betrug fördern könnte.
In manchen Fällen kann der Druck vonseiten der Anleger jedoch auch Teil des Problems sein. Insbesondere am US-Markt, wo sich Analysten eher auf kurzfristige Ergebnisse konzentrieren, könnten Unternehmen auf eine Weise handeln, die die Anleger zufriedenstellt, aber langfristigen Wert zerstört.
Es ist leicht, unsere Aufmerksamkeit und die der Unternehmen auf messbare Faktoren zu richten und kurzfristige Resultate aus der Einflussnahme anzustreben. Als langfristige Aktionäre sollte unsere erste Überlegung immer der Tatsache gelten, dass die Incentivierung der Manager auf langfristigen Erfolg ausgerichtet ist und dass wir Unternehmen unterstützen, die unter Umständen kurzfristige Gewinne oder Dividenden opfern müssen. Wir sollten ein gründliches Research durchführen, eine Vielzahl an qualitativen und quantitativen Quellen heranziehen und unsere Ergebnisse bei der Einflussnahme auf das Unternehmen und seine anderen Stakeholder nutzen.
Zu guter Letzt sollten wir eine wirksame Unternehmenskultur fördern, indem wir Führungskräfte dazu anhalten, offen, häufig und vor allem widerspruchsfrei über Unternehmenskultur zu sprechen.
Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von dem Autor und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Diese können sich ändern.
Themen:
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