Europas Klimakurs auf dem Prüfstand: Folgen der Europawahlen
Nach den jüngsten Europawahlen bleibt die Mehrheit im Parlament klimafreundlich, doch der Rechtsrutsch wirft Fragen auf. So könnten sich die politischen Verschiebungen auf die europäische Energiewende und die zukünftige Energiepolitik auswirken.
Nach den vergangenen Europawahlen scheint klar zu sein, dass der Klimanotstand nicht im Mittelpunkt der Wählerinteressen stand. Dies wirft die Frage auf, welche Auswirkungen dies auf die europäische Energiewende hat. Parteien, mit fortschrittlichen Ansichten zur Dekarbonisierung – wie die Grünen, die Linke, die Sozialisten und Demokraten und Renew Europe – mussten Verluste hinnehmen. Trotz dieser Rückschläge behält die Europäische Volkspartei, welche die derzeitige klimapolitische Agenda unterstützt und festgelegt hat, weiterhin über die Mehrheit der Sitze im Parlament. Die extreme Rechte, die entweder keine oder unklare Klimaziele verfolgt, sind die überraschenden Gewinner der Wahlen. Dazu gehören die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten, die sich aktiv für eine Verringerung der Dekarbonisierungs-Massnahmen einsetzt. Auch die Fraktion Identität und Demokratie, die weniger transparent ist, aber wahrscheinlich keine Klimaziele unterstützen wird, konnte zulegen.
Es ist noch nicht abzusehen, wie sich in den kommenden Wochen Mehrheitskoalitionen bilden werden. Fest steht aber, dass die klimabefürwortenden Parteien nach wie vor die Mehrheit der Stimmen im Parlament haben; dies könnte durch die jüngsten Ergebnisse gedämpft werden.
Trotzdem gibt es zwei wesentliche Gründe, die dafür sprechen, die Energiewende in Europa weiterhin zu unterstützen, unabhängig von der Haltung zum Klimawandel. Erstens hat sich die Energieversorgung Europas in den letzten zwei Jahren aufgrund der Ukraine-Krise stark verändert. Insbesondere der Import von Erdgas rückt dabei in den Mittelpunkt. Diese Abhängigkeit von Energieimporten macht Europa anfällig für Versorgungs-unterbrechungen, die als Folge von Konflikten, politischen Spannungen oder Veränderungen in der Aussenpolitik verursacht werden könnten.
Durch die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien kann Europa seine Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen und die damit verbundenen Risiken verringern. Ein robuster und vielfältiger Mix von erneuerbaren Energien kann eine sichere und stabile Versorgung in Europa gewährleisten, insbesondere in Anbetracht des steigenden Energiebedarfs.
Zweitens spricht ein wirtschaftliches Argument für die Energiewende: Erneuerbare Energien bieten gegenüber fossilen Brennstoffen erhebliche Vorteile in der Kosteneffizienz. Mit den stetig sinkenden Kosten für Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien werden diese zunehmend konkurrenzfähig. Die wettbewerbsfähigen Preise, kombiniert mit dem Potenzial für langfristige Kosteneinsparungen, treiben den Übergang zu erneuerbaren Energien massgeblich voran.
So ist beispielsweise eine Kilowattstunde (kWh), die von einer Solaranlage produziert wird, etwa halb so teuer wie die von einem neu gebauten Kohlekraftwerk, so Bloomberg NEFs Levelised Cost of Electricity H2 2023. Durch Investitionen in die Infrastruktur für erneuerbare Energien will Europa ein nachhaltiges Energiesystem schaffen, das nicht nur die Kohlendioxidemissionen reduziert, sondern auch erschwingliche Energie für seine Bürger und Unternehmen bereitstellt.
Die Dekarbonisierung ist nur ein Teil des Puzzles, ebenso wichtige Faktoren sind die Sicherung der Energieversorgung, die Diversifizierung der Energiequellen und das Streben nach erschwinglichen und kosteneffizienten Energielösungen. Diese Faktoren stellen sicher, dass der Übergang langfristig wirtschaftlich tragfähig und nachhaltig ist. Gelingt das, könnte dies in den kommenden Jahrzehnten eine einzigartige Investitionsmöglichkeit darstellen.
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