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Wann kann China seine Null-Covid-Strategie lockern?

Obwohl einige Regionen Chinas mit einer Lockerung der Beschränkungen beginnen könnten, deuten die Daten darauf hin, dass ein Ende der Null-Covid-Strategie noch in weiter Ferne liegt.

01.06.2022
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Authors

Mark Ainsworth
Leiter Data Insights

Ein Großteil der Welt hat die Covid-19-Beschränkungen nach der Omikron-Welle im Winter weitgehend gelockert. China ist jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme. Großstädte, darunter Schanghai, unterliegen in diesem Frühjahr bereits seit mehreren Wochen einer strengen Abschottung.

Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, da der Verbrauch in und die Produktion aus China schwach waren. Die Lockdowns tragen auch zu Verzögerungen bei Auslieferungen bei, was die Logistikkosten und Vorlaufzeiten in die Höhe treibt.

Wann kann China also die Beschränkungen hinter sich lassen? Leider dürfte das viel länger dauern, als viele annehmen.

Bei Impfungen geht es nicht um Wirksamkeit, sondern vielmehr um Akzeptanz

Zunächst ist zu betonen, dass die Effektivität der in China hergestellten Seren nicht das Problem ist. Wir wissen bereits, dass auch die führenden westlichen Impfstoffe die Übertragung des Virus nicht verhindern: Die Anzahl der Covid-19-Infektionen bleibt trotz Massenimpfung in Westeuropa und den USA erhöht. Unterdessen schützen die Seren gut vor schwerer Krankheit und Tod.

Daten einer Studie der Universität Hongkong deuten darauf hin, dass drei Dosen von Sinovac, einem der am häufigsten verwendeten chinesischen Impfstoffe, genauso wirksam sind wie die mRNA-Impfstoffe (Pfizer/BioNTech, Moderna), die im Westen weit verbreitet sind.

Wir haben jedoch im Westen gesehen, dass selbst zwei Dosen der modernsten Impfstoffe nicht ausreichten, um einen ausreichenden Schutz gegen Omikron zu bieten, insbesondere für ältere Menschen. Daher waren Auffrischungsimpfungen erforderlich, und einigen schutzbedürftigen Personen werden noch weitere Booster-Dosen angeboten.

Chinas Problem ist, dass große Teile der älteren Bevölkerung entweder gar nicht oder unzureichend geimpft sind.

Daten nach Altersgruppen sind schwer zu beschaffen, aber die folgende Tabelle liefert Aufschlüsse, die auf den neuesten uns zur Verfügung stehenden Quellen basieren.

Sie zeigt, dass das Impftempo bei den über 60-Jährigen sehr langsam war. Auf Basis der aktuellen Trends wird dieses Jahr zu keinem Zeitpunkt und unter Umständen sogar nicht vor 2024 damit zu rechnen sein, dass 95 % der über 60-Jährigen vollständig geimpft sind.

Ebenfalls offensichtlich wird bei diesen Daten, dass in etwa 17,5 Millionen der über 80-Jährigen überhaupt nicht geimpft sind.

Warum ist die Akzeptanz von Impfungen so gering?

Es ist ein Rätsel, warum die Inanspruchnahme von Covid-Impfstoffen bei älteren Menschen in China so gering ist, und es gibt nur begrenzte Daten hierzu.

Ein Faktor für die Weigerungshaltung ist unter Umständen die Präferenz für die traditionelle chinesische Medizin.

Eine Hypothese lautet, dass sich viele ältere Menschen und ihre Ärzte Sorgen über Impfnebenwirkungen machen. Demnach wäre die Einführung eines neuen Impfstoffes, der nachweislich weniger Impfreaktionen hat, der erste Schritt, dieses Problem zu lösen.

Es ist sicherlich so, dass die Akzeptanz von mRNA-Impfstoffen im Hinblick auf die Nebenwirkungen am besten war. Aus zwei Gründen erscheint es uns jedoch unwahrscheinlich, dass China mit der Einführung eines selbst entwickelten mRNA-Impfstoffs dieses Problem lösen könnte:

  1. Ältere Menschen in Hongkong hatten Zugang zum Pfizer-Impfstoff, favorisierten aber im Allgemeinen Sinovac;
  2. Ein neuer, selbst entwickelter mRNA-Impfstoff wird unter Umständen sowieso nicht als „sicherer“ wahrgenommen, da China über keine Erfolgshistorie mit solchen Impfstoffen verfügt.

Natürlich waren auch in anderen Ländern Bedenken über Impfreaktionen zu beobachten. Im Allgemeinen wurden diese überwunden, weil die Folgen einer Ansteckung mit Covid weitaus schlimmer sind als die Nebenwirkungen einer Impfung.

Das Besondere an China ist, dass die Menschen aufgrund der Null-Covid-Strategie das Infektionsrisiko deutlich geringer einschätzen und sich daher viel stärker auf mögliche Impfnebenwirkungen konzentrieren.

Zu riskant, um Beschränkungen zu lockern

Das bringt China in eine Zwickmühle. Das heißt, ältere Menschen schätzen das Risiko von Impfnebenwirkungen höher ein als das Infektionsrisiko. Denn schließlich hält Chinas Null-Covid-Strategie die Ansteckungsgefahr gering. Daher lässt sich die Bevölkerung auch nicht impfen. China schlussfolgert daraus, dass es seine Null-Covid-Strategie nicht aufgeben kann, weil zu viele ältere Menschen ungeimpft sind.

Das Problem wird durch die hohe Übertragbarkeit der Omikron-Variante von Covid-19 noch verschärft. China ist also nicht in der Lage, seine Politik zu ändern. Eine Lockerung der Beschränkungen könnte eine „Ausstiegswelle“ von Fällen auslösen, die wiederum zu einer großen Zahl von Todesfällen führen würde.

Unter Verwendung eines ähnlichen Sterblichkeitsprofils wie in Hongkong beziffern wir die Todesrate bei den über 80-Jährigen durch das Virus auf schätzungsweise rund 6 %. Dies würde bei Aufhebung der Lockdowns eine Million Todesfälle bedeuten, bevor die Bevölkerung vollständig geimpft wäre. Für Menschen im Alter von 60 bis 80 Jahren würden wir von einer Sterblichkeitsrate von 1,6 % ausgehen. Angesichts der 30 Millionen Ungeimpften in dieser Altersgruppe ergäben sich hier eine halbe Million Todesfälle.

Strikte Ausgangsbeschränkungen sind die einzige Möglichkeit, die Übertragung zu reduzieren, und sie werden daher fortgesetzt, solange große Teile der Bevölkerung gefährdet bleiben.

Wie kann China seine Null-Covid-Strategie hinter sich lassen?

Wir können daraus schließen, dass zwar einzelne Provinzen nach einem Zeitraum der Beschränkungen Lockerungen vornehmen könnten, ein vollständiger Ausstieg aus Null-Covid erscheint allerdings vorerst unwahrscheinlich.

Ein Ausweg wäre natürlich, die gesamte ältere Bevölkerung zu impfen und boostern. Angesichts der Zeit, die zwischen den einzelnen Impfdosen benötigt wird, könnte eine solche Impfkampagne aber erst im Herbst abgeschlossen werden, und sie wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden.

Dieser Ansatz würde zudem eine öffentliche Informationskampagne erfordern, um die allgemeine Wahrnehmung von Covid-19 zu ändern. Momentan wird Covid als etwas angesehen, das die Schließung ganzer Städte rechtfertigt. Aus diesem Grund bedarf es einer Mentalitätsänderung, bis die Krankheit wie eine gewöhnliche Erkältung behandelt werden kann. Singapur verfolgte im vergangenen Jahr eine ähnliche Strategie.

Eine zweite Theorie besagt, dass Chinas politische Führung irgendwann der Ansicht sein könnte, dass der Preis einer Austrittswelle es wert ist, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Der 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas findet im November dieses Jahres statt, und angesichts der gestärkten Position ihrer Führung könnte anschließend eine Wende in der Covid-19-Politik folgen.

Anzeichen für einen stattfindenden Politikwechsel

Je nach chinesischer Region unterscheidet sich die Lage vor Ort. So hofft beispielsweise Schanghai, wo seit fast zwei Monaten ein Lockdown herrscht, bis Anfang Juni seine stadtweiten Beschränkungen aufzuheben. Unterdessen hat Peking kürzlich die Vorschriften verschärft.

Dann bleibt noch die Frage, ob auf eine Lockerung der Beschränkungen bald eine weitere Verschärfung folgen könnte, wenn die Infektionen wieder ansteigen. Beobachter werden nach deutlicheren Anzeichen für eine echte politische Wende suchen. Dies wären aus unserer Sicht:

  1. Größerer Impfzwang bei älteren Menschen
  2. Eine öffentliche Informationskampagne zur Überzeugung der Bevölkerung, dass Covid wie eine Erkältung ist
  3. Lizenzierung westlicher mRNA-Impfstoffe, um Bedenken über Nebenwirkungen entgegenzutreten.

 

Wichtige Informationen:

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