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Gibt es in Asien eine „grosse Blase“?

Robin Parbrook untersucht, ob wir uns genauso grosse Sorgen um asiatische Aktien machen sollten wie Jeremy Grantham von GMO über den Aktienmarkt in den USA.

19.04.2021
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Robin Parbrook
Co-Leiter Asian Equity Alternative Investments

Einige starke Worte von Jeremy Grantham von GMO über den US-Aktienmarkt klingen derzeit wohl vielen Anlegern in den Ohren, während die Märkte immer höher klettern:

„Der lange, lange Bullenmarkt seit 2009 ist letztendlich zu einer enormen Blase gereift. Angesichts extremer Überbewertungen, explosiver Preiserhöhungen, panischer Emissionen und hysterischen Anlegerverhaltens glaube ich, dass dieses Ereignis zusammen mit der Südseeblase und den Börsencrashs von 1929 und 2000 eine der grossen Blasen der Finanzgeschichte sein wird“, Waiting for the Last Dance, Januar 2021.

Als Anleger in asiatischen Aktien ist es nicht meine Aufgabe, über US-Aktienmärkte nachzudenken. Je mehr ich mir jedoch die Bewertungen und aktuellen Handelsmuster der Region ansehe, umso mehr stimme ich der Schlussfolgerung von Jeremy Grantham zu. Angesichts der steigenden Gewinne und der extrem hohen Teilnahme von Privatanlegern stufen wir die aktuellen Bedingungen an den US-Aktienmärkten nicht als stabil ein. 

Befinden sich asiatische Aktien auch in einer Blase? 

In seinem Bericht vermutet Jeremy Grantham, dass Value-Aktien und Schwellenländer (von denen die asiatischen Aktienmärkte jetzt 81 % ausmachen) relativ gesehen die sichersten Orte sind.

Unseres Erachtens sind die Bedingungen an den globalen Aktienmärkten jedoch inzwischen überzogen oder sogar aufgebläht. Wenn es am US-Aktienmarkt zu einer Korrektur kommt, werden die asiatischen Märkte dagegen nicht immun sein. Dies liegt insbesondere an den sehr engen Korrelationen bei der kurzfristigen Wertentwicklung.

Wie besorgt sollten die Anleger in Asien also sein?

Beginnen wir mit den beruhigenden Abbildungen. Abbildung 1 zeigt mehrere Bewertungskennzahlen. Asien macht keinen überzogen teuren Eindruck, insbesondere was die prognostizierten Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) für 2021 betrifft.

Mittlerweile bieten die meisten Märkte Dividendenrenditen von 2 % bis 4 %, die in einem Nullzinsumfeld nicht zu verachten sind.  

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Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, stand die Eigenkapitalrendite (RoE) unter Druck. Die RoE ist eine Rentabilitätskennzahl, die die Fähigkeit eines Unternehmens misst, Gewinne aus den Investitionen seiner Aktionäre in das Unternehmen zu erzielen. Wir sollten jedoch eine solide zyklische Verbesserung beobachten, wenn sich die Weltwirtschaft normalisiert. Für die Wertentwicklung der Aktienmärkte sollte dies förderlich sein.

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Diese Abbildungen sind also ziemlich beruhigend. Andere Anzeichen sind jedoch besorgniserregend und veranlassen uns zu der Vermutung, dass es 2021 für Anleger in Asien schwierig sein wird, nennenswerte absolute Renditen zu erzielen. 

Abbildung 3 zeigt beispielsweise, dass die Bewertungen in Asien auf Basis der zurückliegenden Jahre den Höchststand der jüngeren Vergangenheit erreicht haben. Dies bedeutet, dass wir im Jahr 2021 ein gutes Gewinnwachstum brauchen, um die aktuellen Aktienkurse zu rechtfertigen.

Können die Gewinne in Asien derart hohe Erwartungen erfüllen? Sieht man sich die Entwicklungen der Vergangenheit an, dann muss diese Frage verneint werden. Die Prognosen der Broker enttäuschen nahezu immer. Dies ist eines der Hauptrisiken für 2021.

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Abbildung 4 zeigt die vielleicht interessantere Sektoraufschlüsselung. Die schwarzen Punkte zeigen die aktuellen erwarteten KGVs für alle wichtigen Sektoren in Asien. Das erwartete KGV basiert auf prognostizierten Gewinnen und geht daher davon aus, dass all diese hübschen Zahlen für den Gewinn je Aktie Realität werden. Die Balken zeigen die historische Spanne seit 2004. 

Bemerkenswert ist, dass fast alle Sektoren ausser denjenigen, die vor bedeutenden, offensichtlichen und in einigen Fällen nicht zu bewältigenden Herausforderungen stehen (Immobilien, Banken, Versicherungen, Versorgungsunternehmen), ihre historischen Höchststände erreicht haben oder sich ihnen annähern. 

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Die Bewertungen sind vielleicht nicht enorm, aber im historischen Vergleich definitiv teuer. Und wenn sich die Gewinnprognosen nicht erfüllen, werden sich auch die Märkte in Asien auf kurze Sicht wohl kaum gut entwickeln.

Vereinzelt beobachten wir – wie in den USA – einen sehr hohen Anstieg der Beteiligung von Privatanlegern an asiatischen Aktienmärkten. In der Vergangenheit war dies ein guter Indikator für Marktspitzen. 

Was kaufen diese Privatanleger? Es sieht danach aus, dass das Kapital der Privatanleger vornehmlich in thematische Exchange Traded Funds (ETFs) in der Region fliesst. Einige dieser Fonds verzeichnen dank dieser Zuflüsse ein exponentielles Wachstum. 

Die beliebtesten Themen sind natürlich Elektrofahrzeuge (dazu später mehr), der Internetsektor, Technologie, grüne Energie, Biotechnologie und so weiter.

Wie in der Vergangenheit tragen die Broker nun zur Blase bei, indem sie sich immer unsinnigere Kursziele anhand von immer unsinnigeren Bewertungsmethoden einfallen lassen, um weitere Kursbewegungen in die „heissesten“ Marktsegmente zu rechtfertigen. 

Die unten stehende Abbildung von David Scott von Chaam Advisors zeigt das sehr bildhaft und fasst die Art und Weise, wie der Markt oft für die „heissen“ Sektoren funktioniert, gut zusammen.

Wir bewegen uns jetzt tatsächlich auf die rechte Seite der Abbildung zu, da Broker insbesondere bei Elektrofahrzeug-Aktien jetzt nur noch von „potenziellen Kunden“ sprechen – normalerweise im Jahr 2030. Was wir besonders weit hergeholt finden, ist das Argument, dass es sich bei Elektrofahrzeugen um Software-Plattformen handelt, die Mobilität als Dienstleistung anbieten.

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Warum die BEVI-Blase immer noch ein Problem ist

Wie wir in den vergangenen Monaten oft diskutierten, sind die Sektoren, die uns im Hinblick auf die Bewertungen am meisten beschäftigen, Biotechnologie, Elektrofahrzeuge und das Internet.

Bislang haben sich unsere Sorgen über die BEVI-Blase als unbegründet erwiesen, und die meisten Titel sind noch weiter nach oben geklettert.

Lagen wir also falsch? 

Nein, das glauben wir nicht. Tatsächlich halten wir den aktuellen Handel mit Elektrofahrzeug-Aktien in Asien für eine der eindeutigsten Blasen oder Manien, die wir in unserer 30-jährigen Investmentkarriere erlebt haben.

Unser Problem mit Elektrofahrzeugen ist nicht, dass wir nicht glauben, dass sie bessere Autos sind als diejenigen mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Wir bezweifeln auch nicht, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen unaufhaltsamen Anstieg beim Verkauf von Elektrofahrzeugen erleben werden.

Unser Problem mit Elektrofahrzeugen ist, dass sie sich technisch gesehen sehr ähnlich sind. Ein Elektrofahrzeug hat nur einen Bruchteil der beweglichen Teile, die ein herkömmliches Auto hat.

Was bedeutet das? Da ein Elektrofahrzeug hauptsächlich aus einer Batterie, einem Motor und viel Elektronik besteht, sind die Eintrittsbarrieren niedrig, da der Grossteil davon serienmässig produziert werden kann. Ein Elektrofahrzeug kommt ohne Hunderte brillanter deutscher Ingenieure aus, die seinen Verbrennungsmotor optimieren. Daher sind die Eintrittsbarrieren für ein gutes Elektrofahrzeug geringer. 

Mit relativ niedrigen Markteintrittsbarrieren (im Vergleich zu einem herkömmlichen Auto mit Verbrennungsmotor), viel „heissem Geld“ in der Branche und einer enormen Anzahl neuer Start-ups sind alle klassischen Zutaten für einen grossen Preiskampf und eine Erschütterung vorhanden. Dies ist sehr ähnlich zu den Entwicklungen, die wir in der Vergangenheit auf dem asiatischen Markt für Smartphones und Flachbildfernseher erlebten.

Wie Abbildung 6 zeigt, ist es bereits schwierig, zwischen einzelnen Elektrofahrzeugen zu unterscheiden.

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Wir erwarten, dass die Verbraucher wie bei jedem Elektrogerät das neueste Auto mit dem attraktivsten Design, der neuesten Elektronik und dem günstigsten Preis kaufen werden.

Dies könnte zu relativ kurzen Produktlebenszyklen führen. Tatsächlich ist es interessant, wie schnell neuere Modell mit der neuesten Elektronik und Batterien den älteren Modellen Marktanteile wegnehmen, wie Abbildung 7 zeigt.

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Was bedeutet das alles für Automobilaktien und ähnliche Titel in Asien? Wir sind der Meinung, dass die Elektrofahrzeug-Aktien enttäuschen werden. Viele werden scheitern, weil sich die Branche konsolidieren muss. 

Das Absatzvolumen wird hoch sein, da der Wettbewerb und die raschen technologischen Fortschritte zu besseren und kostengünstigeren Produkten führen. Die hohe Anzahl an Akteuren, die relativ generische Produkte herstellen, bedeutet jedoch, dass die Gewinne gering oder gleich null sein werden. 

Internettitel sind da viel interessanter. Im Fall Asiens sind sie auch wichtiger, da sie rund 20 % des grossen Aktienindex für Asien stellen, der MSCI AC Asia ex Japan. 

Diese Titel zählen zu den innovativsten Unternehmen in Asien mit disruptiven Geschäftsmodellen, die neue und bessere Dienstleistungen für Kunden bieten, wie E-Commerce, Musik- und Film-Streaming, soziale Medien, Lieferung von Lebensmitteln, Fahrdienstleistungen, Zusammenlegung von Reisen etc.

Wir befürchten jedoch zunehmend, dass eine übermässige Euphorie viele Titel im Sektor zu blasenartigen Bewertungen treibt. Dadurch sind sie für sehr starke Rückgänge anfällig, wenn die jetzt sehr hohen Absatz- und Gewinnerwartungen nicht erfüllt werden.

Da Broker ihre Umsatz- und Margenprognosen kontinuierlich erhöhen, um Kursbewegungen zu rechtfertigen (vergessen Sie nicht, dass Brokerprognosen Aktienkurse nicht anführen, sondern ihnen nach oben folgen), halten wir den Spielraum für Enttäuschungen innerhalb des Sektors für erheblich. 

Die meisten internetbezogenen Sektoren in China scheinen eher noch umkämpfter zu werden. Ausserdem dürften neue Formate wie Live-Streaming-E-Commerce eine Disruption der traditionelleren E-Commerce-Kanäle darstellen. 

Berücksichtigt man also die schnelle Disruption, den intensiven Wettbewerb, die Vielzahl neuer disruptiver Dienstleistungen und einen E-Commerce-Sektor mit relativ hoher Durchdringung (die jüngsten Konsensschätzungen lauten auf einen Anteil von über 35 % des E-Commerce am Gesamteinzelhandelsumsatz in China), dann glauben wir nicht, dass es sich hier um einen Fall von „Alle sind Gewinner“ handelt.

Also zurück zur ersten Frage: Befinden sich die asiatischen Märkte in einer Blase? 

Alles in allem sind wir der Meinung, dass dem nicht so ist. Wir identifizieren in einigen Sektoren, insbesondere im Halbleiter- und im Tech-Hardware-Sektor, immer noch Titel, die wir kaufen möchten.

Es liegen aber eindeutig blasenartige Bedingungen in einem grossen und wachsenden Bereich unseres asiatischen Anlageuniversums vor (und bei rund 30 % der asiatischen Indizes nach Marktkapitalisierung), sodass jetzt ein vorsichtiger Ansatz gefragt ist.

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