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Preisen manche asiatischen Schwellenländer allmählich eine globale Erholung ein?

Trotz des düsteren Ausblicks für den Welthandel sind Taiwan und Südkorea stark in das Jahr 2023 gestartet.

10.03.2023
Asian emerging markets

Authors

Nicholas Field
Stratege für Schwellenländer-Aktien und Fondsmanager
Andrew Rymer
Investment-Redakteur

Die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft und die sich dort anbahnende zyklische Erholung haben die Stimmung gegenüber den Schwellenländern in den letzten Monaten aufgehellt. Dies ist mittlerweile nicht mehr zu leugnen.

Die globalen Wachstumsaussichten signalisieren indes eine Rezession und der Welthandel geht zurück, da die Nachfrage der Industrieländer sinkt. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe der Schwellenländer tendiert nun nach unten und die industrielle Produktion ist rückläufig. Infolgedessen sind die Rahmenbedingungen für viele exportorientierte Schwellenländer eher schwierig.

Trotzdem haben Südkorea und Taiwan, zwei Märkte, in denen die Exporte einen grossen Anteil am BIP haben, vom 31. Oktober 2022 bis zum 17. Februar 2023 Anstiege von 19 % bzw. 30 % erzielt. Im gleichen Zeitraum werteten ihre Währungen gegenüber dem US-Dollar um 10 % bzw. 6 % auf. Diese Märkte erwarten allmählich eine potenzielle zyklische Erholung.

Wenngleich der Optimismus hinsichtlich der Wiedereröffnung Chinas förderlich war, muss auch der Ausblick für den Technologiesektor und den breiteren Exportsektor im Auge behalten werden. Dieser ist weniger klar. Es besteht nach wie vor Ungewissheit über das künftige Wachstum und die Inflation in den USA sowie in anderen Industrieländern. Während man an den Märkten Südkoreas und Taiwans allmählich davon ausgeht, dass schon in diesem Jahr eine Erholung stattfinden wird, kann es sein, dass sie erst 2024 eintreten wird.

Schwache makroökonomische Daten

Die Verlangsamung der taiwanesischen Wirtschaft fiel im vierten Quartal mit einem BIP-Rückgang von 0,9 % im Jahresvergleich deutlicher aus als erwartet. Die südkoreanische Wirtschaft schrumpfte im gleichen Zeitraum um 0,4 % im Jahresvergleich, was ebenfalls über den Konsensprognosen lag.

Auch in den Hochfrequenzdaten zeichnen sich die Auswirkungen des sich verlangsamenden globalen Wachstums ab. Exporte aus Südkorea sanken im Januar um fast 17 % gegenüber dem Vorjahr auf ein 23-Monats-Tief, während die taiwanesischen Ausfuhren um 21 % gegenüber dem Vorjahr zurückgingen. Der Einkaufsmanagerindex des verarbeiteten Gewerbes befindet sich zwar nicht mehr auf dem zyklischen Tief, bleibt jedoch in beiden Ländern im Kontraktionsbereich (unter 50), und neue Exportaufträge sind rückläufig.

Das folgende Diagramm veranschaulicht den Abwärtszyklus der südkoreanischen Exporte und die Schwäche des Exportvolumens der Schwellenländer allgemein. Es deutet darauf hin, dass der kurzfristige Ausblick für Hersteller in den Schwellenländern schwierig bleiben könnte. Allerdings könnte die Wirtschaft Südkoreas im Zyklus weiter fortgeschritten sein und die Märkte erwarten, dass der Zyklus seine Talsohle bald erreichen wird.

Exporte Südkoreas und der Schwellenländer

Schwellenländer

Quelle: CPB, Refinitiv, Schroders Economics Group. 3. Februar 2023

Politik

Auch wenn die Jahresinflation in beiden Volkswirtschaften mit 5,7 % in Südkorea und 2,7 % in Taiwan immer noch über dem Inflationsziel liegt, ist sie doch niedriger als in anderen Schwellenländern, wie das folgende Diagramm zeigt. Sowohl die Zentralbank in Südkorea als auch diejenige Taiwans hat in den vergangenen zwölf Monaten den Leitzinssatz erhöht. Nach einer Erhöhung um 25 Basispunkte (Bp.) im Januar liegt der Basiszinssatz in Südkorea nun bei 3,5 %, in Taiwan bei 1,75 %.

Gesamtinflation (%)

Schwellenländer

Die jährliche Gesamtinflation der Türkei (58 %) wurde bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Quelle: Schroders, Refinitiv Datastream. Stand der Daten: 31. Januar 2023.

Die südkoreanische Finanzaufsichtsbehörde Financial Services Commission plant verschiedene Reformmassnahmen, die für die Aufnahme Südkoreas in den FTSE World Government Bond Index und die Reklassifizierung im MSCI World Index förderlich sein könnten. Sie möchte zum Beispiel die Devisenhandelszeiten ausdehnen, das Spektrum der Teilnehmer erweitern und die Registrierung für ausländische Investoren vereinfachen.

Probleme mit dem Zugang zum Markt gehen auf Vorschriften zurück, die Anfang der 1990er-Jahre eingeführt wurden. Mit der Kapitalmarktreform möchte die lokale Aufsichtsbehörde mehr Kapital aus dem Ausland anziehen und dadurch den Bewertungsabschlag im Vergleich zu anderen globalen Märkten verringern. Sollten die angekündigten Reformen umgesetzt werden, könnte MSCI Südkorea im Juni auf seine Beobachtungsliste für eine Neueinstufung als Industrieland setzen. Eine mögliche Heraufstufung dürfte jedoch von den Fortschritten bei den Gesetzesänderungen abhängen und könnte erst in ein oder zwei Jahren erfolgen.

Was die Wiedereröffnung Chinas für Südkorea und Taiwan bedeutet

Die Aufhebung der Pandemiebeschränkungen in China verbesserte die Stimmung am Markt. Exporteure in Südkorea und Taiwan sollten von einer gewissen Erholung der Nachfrage nach Industriegütern sowie Zwischenprodukten wie Halbleitern profitieren. Südkoreanische und taiwanesische börsennotierte Unternehmen, die in China tätig sind, dürften zudem Nutzniesser der geringeren Versorgungsunterbrechungen und der Normalisierung im Geschäftsbetrieb sein. Auf der anderen Seite wird sich die allgemeine Abschwächung der weltweiten Nachfrage negativ auswirken. Darüber hinaus stellen die anhaltenden Spannungen zwischen den USA und China, insbesondere bezüglich des strategischen Wettbewerbs im Technologiebereich, nach wie vor ein langfristiges Risiko dar. (Im Folgenden gehen wir näher hierauf ein.)

Der Tourismus ist ein weiterer Sektor, der von der Wiedereröffnung Chinas profitieren sollte. Im Jahr 2019 reisten vom chinesischen Festland rund 6 Millionen Menschen nach Südkorea und 2,7 Millionen nach Taiwan. Als China seine Pandemiemassnahmen aufhob, führte Südkorea zunächst Einreisebeschränkungen für Passagiere aus China ein und setzte kurzfristige Visa aus (woraufhin China die gleichen Massnahmen ergriff). Diese Beschränkungen wurden inzwischen aufgehoben.

Markt und Bewertungen

Bei der Beurteilung des Marktausblicks für Südkorea und Taiwan sind wichtige Nuancen zu beachten. Während die Ausfuhren in beiden Volkswirtschaften eine wichtige treibende Kraft für das Wirtschaftswachstum sind, liegt der Anteil der Exporte am BIP in Taiwan mit 70 % höher denn je, wohingegen der Anteil in Südkorea auf 36 % gesunken ist. In Taiwan entfällt mehr als die Hälfte der Exporte auf Elektronik- und andere IT-Produkte. Die südkoreanischen Exporte sind stärker diversifiziert. Auf Indexebene gibt es ähnliche Unterschiede. Im MSCI Taiwan macht der IT-Sektor 70 % aus, während der MSCI Korea Index im Vergleich dazu mit einem niedrigeren IT-Anteil von 45 % stärker diversifiziert ist. Der südkoreanische Markt ist zudem zyklischer als derjenige Taiwans. Dies ist eher eine Folge der Aktienkomponenten als nur der Sektorklassifizierung.

Aus Bewertungssicht sind Südkorea und Taiwan im historischen Vergleich eher günstig. Wie das folgende Diagramm zeigt, befinden sich die beiden Märkte im Vergleich zu anderen Schwellenländern auf Grundlage des kombinierten Z-Score im Mittelfeld.

Durchschnitt (nachlaufendes KGV, KGV, KBV, Dividendenrendite) (Z-Score1)

Schwellenländer

Aufgrund der begrenzten Datenhistorie sind die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Kuwait ausgeschlossen. 1Der Z-Score ist ein Mass dafür, wie weit die Bewertungen vom historischen Mittel entfernt sind, berechnet seit Januar 2000. Quelle: Schroders, Refinitiv Datastream, MSCI, IBES, Schroders Strategic Research Unit. Stand der Daten: 31. Januar 2023.

Ein Blick auf die folgende Heatmap, die über die kombinierten Bewertungszahlen hinausgeht, zeigt, dass sich das hohe Forward-KGV auf den Score von Südkorea auswirkt. Darin spiegeln sich die Markterwartungen wider, wonach sich die Gewinne etwas erholen dürften, was in der Konsensgewinnprognose noch nicht eingepreist ist.

Auch wenn es wichtig ist, eine Reihe von Bewertungskennzahlen zu evaluieren, kann bei einem zyklischeren, auf Value ausgerichteten Markt wie Südkorea anhand des Kurs-Buchwert-Verhältnisses besser beurteilt werden, wie günstig die Bewertungen sind. Und diese Kennzahl des Markts sticht heraus. Taiwan ist anhand dieser Kennzahl etwas weniger attraktiv. Doch wie bereits erwähnt, ist dieser Markt weniger zyklisch als derjenige Südkoreas und gemäss allen anderen drei Kennzahlen günstig.

Heatmaps für Bewertungen der Schwellenländer – aktuelle Z-Scores1

Schwellenländer

1Der Z-Score ist ein Mass dafür, wie weit die Bewertungen vom historischen Mittel entfernt sind, berechnet seit Januar 2000.

Aufgrund der begrenzten Datenhistorie sind die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Saudi-Arabien und Kuwait ausgeschlossen. Die kombinierte Zahl entspricht dem Durchschnitt des nachlaufenden KGV, des KGV für die nächsten zwölf Monate, des KGV und der Dividendenrendite. Quelle: Schroders, Refinitiv Datastream, MSCI, IBES, Schroders Strategic Research Unit. Stand der Daten: 31. Januar 2023.

Risiken für den Ausblick

Es gilt, verschiedene Risiken zu beachten. Bezüglich der zyklischen Erholung ist der Ausblick für die US-Wirtschaft für beide Märkte ein wichtiger zu beobachtender Faktor. Falls die Disinflation in den USA zurückgeht und die US-Notenbank Fed ihre Geldpolitik weiter strafft, könnte dies den Abschwung des Welthandels verlängern und dazu führen, dass der US-Dollar widerstandsfähig bleibt oder gar weiter aufwertet.

Die längerfristigen Risiken betreffen vor allem die Geopolitik. In Südkorea haben die Spannungen mit Nordkorea in letzter Zeit wieder zugenommen, nachdem nordkoreanische Drohnen Ende letzten Jahres mutmasslich in den südkoreanischen Luftraum eindrangen. Das Militärbündnis mit den USA hat in der Vergangenheit zu Spannungen mit China beigetragen. Darüber hinaus ist Südkorea auch ein langfristiger strategischer Konkurrent Chinas in einigen Sektoren, einschliesslich Technologie. Für Taiwan stellen die Beziehungen zwischen den USA und China nach wie vor ein Risiko dar. Die jüngste Auseinandersetzung zwischen den USA und China aufgrund mutmasslicher Spionageballons sowie mögliche zusätzliche US-Exportbeschränkungen für Technologie nach China müssen im Auge behalten werden.

Unsere Einschätzung

Unser Ausblick für taiwanesische Aktien ist neutraler geworden. Der Technologiesektor bietet eine langfristige Wachstumschance und erstreckt sich etwa auf 5G, Rechenzentren und das sogenannte Internet der Dinge. Allerdings haben wir kurzfristige zyklisch bedingte Bedenken. Die Schwäche des DRAM-Halbleitermarkts nach der Coronavirus-Pandemie war ausgeprägter als in den letzten Branchenzyklen. Die jüngsten Unternehmensgewinne deuten auf wachsende Lagerbestände hin, doch die Talsohle des Zyklus dürfte laut den Prognosen in der ersten Hälfte dieses Jahres erreicht werden. Über den Zeitpunkt der erwarteten Erholung herrscht nach wie vor Ungewissheit. Angesichts der starken Wertentwicklung des Markts in den letzten Monaten gibt es erheblichen Spielraum für eine Enttäuschung, aber dies könnte gleichzeitig auch eine Chance eröffnen.

Wir halten an unserer positiven Einschätzung von Südkorea fest. Da sich die Weltwirtschaft verlangsamt, sind Ertragsrisiken vorhanden, aber der schwache zyklische Ausblick ist trotz der jüngsten Wertentwicklung zunehmend eingepreist. Wie wir oben und in einer früheren Mitteilung bereits erläutert haben, bietet der Markt eine Chance durch diversifizierte Sektoren sowie verschiedene langfristige Wachstumstitel in Branchen wie Elektrofahrzeugbatterien.

Aufgrund des ungewisses Ausblicks für das globale Wachstum ist nach wie vor unklar, wann die zyklische Erholung in diesen Märkten erfolgen wird. Obgleich es infolge der starken Wertentwicklung in den letzten Monaten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu negativen Überraschungen kommen kann, scheint die Marschrichtung richtig zu sein.

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