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Der russische Einmarsch in die Ukraine vor einem Jahr hat in Europa eine Energiekrise ausgelöst. Aus Sicht der Finanzmärkte hat sich die Energiekrise in erster Linie in Form von steil ansteigenden Energiepreisen entfaltet. Der Grund dafür waren die Sanktionen des Westens gegen russisches Öl und die anschließende Einstellung von Gaslieferungen durch Russland.
Die drohende Gasmangellage bedeutete für Europa – insbesondere für Deutschland, Österreich, die Niederlande und Italien –, dass neue Energiequellen gefunden werden mussten. Dies erwies sich als kostspielig. Die Gaspreise stiegen insbesondere im September 2022 rapide an, da die Anleger einen möglichen Gasmangel sowie Stromabschaltungen im bevorstehenden Winter befürchteten.
Allerdings sind die europäischen Gaspreise seither wieder stark gefallen, wie das vorstehende Diagramm verdeutlicht. Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Faktoren, darunter den relativ milden Winter.
Ein weiterer Faktor ist die Tatsache, dass mehrere europäische Länder Maßnahmen zur Reduzierung des Bedarfs getroffen haben. Das nachstehende Diagramm verdeutlicht, wie der Bedarf an Gas in Deutschland zurückgegangen ist. In dem Diagramm dargestellt ist die monatliche Veränderung des Gasverbrauchs aller Gaskunden im Vergleich zum Durchschnitt von 2018 bis 2021.
Mildere Temperaturen, die geringere Nachfrage und der Bezug von Gas aus anderen Quellen – oftmals LNG-Terminals (also Flüssiggas-Terminals) – führten dazu, dass Europa Stromabschaltungen abwenden und seine Gasspeicher ausreichend auffüllen konnte.
In ganz Europa waren die Gasspeicher im Januar 2023 zu rund 80 % befüllt. Dieser Wert entspricht auch den EU-Vorgaben, die eine Mindestbefüllung von 80 % während dieses Winters vorsehen.
Dem folgenden Diagramm können die aktuellen Gasspeicherstände in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr entnommen werden. Der Gesamtspeicherstand in Deutschland beträgt 73 %. Er ist somit mehr als doppelt so hoch wie vor einem Jahr. Im November 2022 lag er bei 100 %.
Die stark angestiegenen Gaspreise hatten zudem enorme Folgen für die europäische Wirtschaft. Die Inflationsrate stieg bis in den zweistelligen Bereich. Fallende Gaspreise sollten zu einem nachlassenden Inflationsdruck führen, wenngleich andere Komponenten, wie Lebensmittelpreise, weiterhin steigen.
Azad Zangana, Senior European Economist bei Schroders, äußerte sich wie folgt dazu: „Die Gaspreise haben im vergangenen Jahr sehr zu der hohen Inflation beigetragen. Der EZB-Rat hat bei seiner jüngsten Sitzung festgestellt, dass dieser deutliche Preisrückgang seit Ende 2022 sehr zu einer Senkung der Inflationsraten im weiteren Jahresverlauf beitragen wird.
Die EZB hat bereits signalisiert, dass sie die Zinsen im März um weitere 50 Basispunkte erhöhen wird. Gleichzeitig hat sie jedoch bekannt gegeben, dass sie ab März ‚… den weiteren Verlauf ihrer Geldpolitik beurteilen wird‘ – möglicherweise wird dadurch eine Gelegenheit geschaffen, die Zinserhöhungen vorerst auszusetzen. Wir gehen davon aus, dass die Zinsen ab diesem Zeitpunkt nicht weiter erhöht werden.“
Stromabschaltungen wurden abgewendet, die Gasspeicher sind gut gefüllt und die Energiepreise gehen wieder zurück – dadurch besteht keine so große Notwendigkeit mehr, die Zinsen weiter anzuheben. Wird damit das Ende der europäischen Energiekrise eingeläutet?
Leider ist es nicht so einfach.
Anfang des vergangenen Jahres erhielt Europa noch einige Monate lang Gas aus Russland. Das ist in diesem Jahr nicht mehr der Fall. Zudem war der geringere Energiebedarf zumindest teilweise auf den milden Winter zurückzuführen. Dass auch der kommende Winter wieder mild wird, ist nicht garantiert.
Mark Lacey, Leiter von Global Resource Equities, meinte dazu: „Europa konnte einen Großteil des fehlenden russischen Gases durch Flüssiggas kompensieren. Dadurch entstehen jedoch Extrakosten, da auch in anderen Ländern die Nachfrage nach Flüssiggas gestiegen ist – teilweise, da Flüssiggas weniger umweltschädlich ist als andere Energieträger, wie Kohle.
Außerdem war die chinesische Nachfrage nach Flüssiggas im Jahr 2022 begrenzt, da die Wirtschaftstätigkeit infolge von Covid-bedingten Lockdowns beschränkt war. Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung Chinas wird auch die Nachfrage nach dem begrenzt verfügbaren Flüssiggas wieder zunehmen und folglich werden auch die Preise steigen.
Neue Kanäle für die Belieferung mit Flüssiggas werden bereits aufgebaut, allerdings werden sie erst in einigen Jahren fertig sein. Erst ab 2025 wird die zunehmende Nachfrage befriedigt werden können. Nach unseren Gesprächen mit verschiedenen Energieunternehmen gehen wir davon aus, dass – sofern nicht die höheren Preise zu einer Drosselung der Nachfrage führen – die nächsten 18 bis 24 Monate für Europa wie auch für Asien sehr herausfordernd werden.
Und der LNG-Markt kann nicht so weiter wachsen, wenn die Welt das Netto-Null-Ziel im Rahmen der Klimaverpflichtungen erreichen soll. Mehr Investitionen fließen in erneuerbare Energien. Sie sind eindeutig die langfristige Lösung, stehen aber nicht auf die Schnelle im benötigten Umfang zur Verfügung. Unserer Meinung nach ist Europa noch nicht über dem Berg, was die Energieversorgung betrifft.“
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