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Die Inflation bleibt – drei Gründe

Seit der Jahrtausendwende haben wir uns alle an eine niedrige und stabile Preissteigerung gewöhnt. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.

09.06.2022
CARGO-SHIPS

Authors

David Rees
Senior Emerging Markets Economist

Die Teuerungsrate in den G7-Staaten stieg im März auf 7 % im Jahresvergleich. Wie die folgende Abbildung verdeutlicht, ist dies die höchste seit fast vier Jahrzehnten verzeichnete Rate. Die Gesamtinflationsraten liegen in praktisch allen grossen Industrie- und Schwellenländern über den Zielvorgaben der Zentralbanken.

Abbildung: G7-Inflation kletterte im März auf ein Jahrzehntehoch

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Wie ist es dazu gekommen?

Die Ursprünge der aktuellen globalen Inflation lassen sich bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie zurückverfolgen. Damals entstand ein grosses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach Gütern.

Bedingt durch Lockdowns in der ersten Jahreshälfte 2020 schrumpfte die Weltwirtschaft deutlich. Daraufhin folgte eine ungewöhnliche Rezession, während der die meisten Haushalte vor wirtschaftlichen Einbussen geschützt waren. Einerseits konnten viele weiterhin bei voller Bezahlung von zu Hause aus arbeiten. Andererseits waren die Finanzen vieler anderer Haushalte durch staatliche Regelungen geschützt. Im Ergebnis stiegen die gesamten Nettoersparnisse beträchtlich an.

Die Verbraucher schwammen in Geld und die Wirtschaft war zum Grossteil geschlossen, insbesondere der Dienstleistungssektor. Dadurch wurde die aufgestaute Nachfrage in den Warensektor gedrückt. Beispielsweise wuchsen die Einzelhandelsumsätze in den USA in nur einem Jahr um 20 %. Da sich die wirtschaftliche Erholung beschleunigt hat, steigen sie zudem weiter an.

Selbst in normalen Wirtschaftszeiten könnte das Warenangebot mit einem so grossen Nachfragezuwachs kaum Schritt halten.

Durch die pandemiebedingten Lockdowns ist die Situation in der Produktion und durch die Unterbrechung der Transportwege sehr angespannt. Warenengpässe beeinträchtigten die Lieferzeiten, und das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führte zu höheren Preisen.

Jüngst haben die Auswirkungen der tragischen Ereignisse in der Ukraine diese grundlegenden Inflationstendenzen zusätzlich verschärft, da die Rohstoffpreise in die Höhe geschossen sind. Das hat Öl ins Feuer gegossen und die Preise noch weiter angehoben.

Abbildung: Rohstoffe haben die Teuerung noch weiter erhöht

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Drei Gründe, aus denen die Teuerungsrate länger hoch bleiben dürfte

Der Höhepunkt des globalen Preisanstiegs ist wahrscheinlich bald erreicht. Manche Länder wie die USA haben ihn wohl schon hinter sich.

Obwohl die Gesamtinflationsraten bald sinken könnten, sprechen drei Gründe dafür, dass dies relativ langsam vonstattengehen wird.

Grund 1: Die Auswirkungen von Chinas Null-Covid-Politik auf die Lieferketten

Erstens bedeutet die Null-Covid-Politik in China, dass Engpässe in der Lieferkette noch einige Zeit andauern dürften. Die verhängten Lockdowns haben die chinesische Wirtschaft im April hart getroffen. Die Wirtschaftsleistung, also das BIP, dürfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal schrumpfen.

Zudem haben die Lockdowns nicht nur die heimische Wirtschaft hart getroffen, sondern könnten auch weitreichende Folgen für den Rest der Welt haben.

Immerhin ist China zu einem zentralen Akteur in den globalen Lieferketten geworden. Die zur Eindämmung von Covid erlassenen Einschränkungen haben die Produktionstätigkeit deutlich behindert und einen Rückstau in der Transportinfrastruktur verursacht. So haben beispielsweise die täglichen Rückstaus bei Containerschiffen in den 55 grossen Häfen in China insgesamt zugenommen, da die Schiffe nur verzögert be- und entladen werden konnten.

Wie die nachstehende Abbildung zeigt, war dies in der Vergangenheit ein Anzeichen dafür, dass sich die Lieferzeiten der Zulieferer verlängern. Ausserdem besteht die Gefahr, dass sich dies wieder spürbar negativ auf die Lieferketten auswirkt.

Abbildung: Rückstaus in Chinas Häfen deuten auf weitere Lieferkettenprobleme hin

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Grund 2: Rohstoffpreise

Die Energiepreise haben sich seit dem anfänglichen Marktschock nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine stabilisiert. Jedoch sind sie aktuell hoch und könnten noch weiter ansteigen.

Russland hat die Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt und droht, auch andere grössere europäische Länder nicht mehr zu beliefern. Gleichzeitig versucht die EU, eine Einigung über ein neues Sanktionspaket zu erzielen. Teil davon wäre auch ein Embargo für russische Energie, das möglicherweise schon Ende 2022 in Kraft tritt.

Die grösste Bedrohung stellen jedoch vielleicht die Lebensmittelpreise dar. Nach dem FAO-Index der Vereinten Nationen sind die Lebensmittelpreise in diesem Jahr nominal und in US-Dollar gerechnet bereits um rund 20 % gestiegen (siehe nachstehende Abbildung). Der enorme Preisschock im Düngemittelmarkt birgt zudem die Gefahr, dass die Lebensmittelkosten weiter anziehen. Schliesslich sind Russland und Belarus seit jeher wichtige Düngemittellieferanten für die Weltwirtschaft. Aufgrund des langen Produktionszyklus in der Landwirtschaft könnten diese höheren Inputkosten die Preise noch einige Zeit hochhalten.

Abbildung: Lebensmittelpreise sind sogar noch stärker gestiegen

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Inzwischen wirkt sich der Klimawandel auch auf die Getreideproduktion in einigen Schlüsselmärkten wie Indien aus. Dies ist eine besondere Bedrohung für die Schwellenländer, wo Lebensmittel einen relativ grossen Teil der VPI-Warenkörbe ausmachen. Zudem waren in der Vergangenheit Preiserhöhungen bereits der Auslöser für soziale Unruhen, wie beispielsweise für den Arabischen Frühling im Jahr 2010.

Grund 3: Wiederaufleben des Dienstleistungssektors

Eine dritte Sorge hinsichtlich der Inflationsaussichten kommt aus dem Dienstleistungssektor. Dieser Bereich gewinnt gerade an Fahrt, da Bedenken wegen Covid abnehmen und sich die Kauflaune von Industriegütern wegbewegt.

Eingehende Daten aus Grossbritannien, das als erste grosse Volkswirtschaft die Covid-Beschränkungen aufgegeben hat, zeigen eine deutliche Verschiebung des Interesses zurück zu den Dienstleistungen. Wie die nachstehende Abbildung zeigt, hat zudem die Produktion im US-Dienstleistungssektor gerade erst wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht und dürfte weiter steigen, wenn die Kauflust wieder zunimmt.

Abbildung: Anhaltende Inflation im Dienstleistungssektor

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Ein Wiederaufleben der Nachfrage im Dienstleistungssektor wird wahrscheinlich mehr Arbeitskräfte erfordern – und das zu einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit bereits sehr niedrig ist und die Löhne steigen. Die Tätigkeit im Dienstleistungssektor ist in der Regel arbeitsintensiv, sodass die Erzeugerpreise besonders empfindlich auf die Lohnkosten reagieren. Damit steigt die Gefahr, dass der Dienstleistungssektor bald zum Haupttreiber der Teuerung wird, weshalb die Befürchtung einer Lohn-Preis-Spirale wächst.

Was sind unsere Inflationsprognosen?

Angesichts all dieser Risiken haben wir unsere Prognose für die globale Inflation in diesem Jahr von 4,8 % auf 6,4 % angehoben. Wir gehen zwar immer noch davon aus, dass die Teuerungsrate im nächsten Jahr zurückgeht, aber wahrscheinlich langsamer. Somit haben wir unsere Prognose von zuvor 2,8 % auf nun 3,6 % für 2023 angehoben.

Dabei ist ein Grossteil der Aufwärtskorrektur auf die Industrieländer zurückzuführen. Neue Daten deuten darauf hin, dass die Inflation in den USA im März mit 8,6 % ihren Höhepunkt erreichte. Wir gehen davon aus, dass sie in den kommenden Monaten tendenziell sinkt, aber erst im vierten Quartal 2023 wieder das 2-Prozent-Ziel der US-Notenbank Fed erreicht.

In Grossbritannien und in der Eurozone sollte der Höhepunkt der Teuerung etwas später erreicht werden, wohl im zweiten oder dritten Quartal. Wir erwarten, dass die Inflation in der Eurozone in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres wieder unter 2 % fallen wird. In Grossbritannien dürfte sie jedoch bis 2023 über dem Zielwert bleiben.

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