Die neue Investitionslandschaft

Wie Anleger sich an höhere Inflation und Zinssätze anpassen

In den meisten Ländern sind die hohe Inflation und die hohen Zinsen wichtige neue Katalysatoren der Investitionslandschaft, wie dies seit den 1990er-Jahren nicht mehr der Fall. Das ist für viele Teilnehmer der Global Investor Study 2023 eine Herausforderung: Bei einem Durchschnittsalter von 43 Jahren war die Hälfte der Befragten noch in der Schule oder gar nicht auf der Welt, als diese beiden Faktoren zuletzt die Märkte dominierten.

Heute ist das Umfeld ganz anders als 2022, als die Global Investor Study zuletzt durchgeführt wurde. Damals glaubten einige Kommentatoren, dass die Disruption nur vorübergehend sei, und prognostizierten eine schnelle Rückkehr zum günstigen Niedrigzinsumfeld mit niedriger Inflation.

Die Anlagebedingungen haben sich grundsätzlich geändert, und 78 % der Befragten sind sich dessen bewusst.

Erleben wir angesichts der höheren Inflation und Zinsen jetzt einen Strukturwandel bei der Geldpolitik und an den Märkten?

Die meisten Anleger haben ihre Finanzstrategie angesichts des trüberen Wirtschaftsausblicks in vielen Ländern angepasst. Die meisten Befragten (nämlich 44 %) gaben an, derzeit mehr zu sparen und weniger auszugeben. Aber angesichts der höheren Lebenshaltungskosten sind viele gezwungen, mehr Kredite aufzunehmen – dies wurde von 41 % der Befragten im Alter von 18 bis 37 Jahren mit „wahrscheinlich“ angegeben.

Eine neue Investitionslandschaft verlangt eine neue Denkweise. Wenn man eine attraktive, risikoarme Rendite auf Ersparnisse erhält, ist der Kauf von Aktien für eine Dividendenrendite weniger attraktiv. Die Anleihekurse fallen. Zudem bremsen höhere Zinsen im Allgemeinen das Wirtschaftswachstum, was kleinere Unternehmen aufgrund ihrer größeren finanziellen Anfälligkeit besonders unter Druck setzt. Angesichts solcher Veränderungen gab mehr als die Hälfte der Befragten an, ihre Strategien angepasst zu haben.

Passen Anleger ihre Anlagestrategie an diese neue Ära an?

Eine beträchtliche Minderheit (über ein Drittel) weiß, dass sie handeln muss, aber nicht, wie. Dabei ist schon reichlich Zeit verstrichen. Diese Umfrage startete im Mai 2023, also über ein Jahr, nachdem die wichtigsten Zentralbanken der Welt im ersten Quartal 2022 mit den Zinserhöhungen begannen.

Diese Untätigkeit steht mit einem fehlenden Anlage-Know-how in Verbindung. Von den Befragten, die sich selbst als Experten einschätzten, gaben 16 % an, dass sie ihre Strategie noch nicht angepasst haben. Unter den Befragten, die sich als Anfänger sahen, war der Anteil mit 37 % mehr als doppelt so hoch.

Befragte, die sich als Experten einschätzten, neigten auch eher dazu, einen Finanzberater hinzuzuziehen, um ihre Finanzstrategie anzupassen. Etwa 46 % der Experten haben dies vor, während dieser Wert bei den Anfängern 36 % beträgt. Das bestätigt eine der Kernaussagen der Schroders Global Investor Study 2022: Befragte, die sich als Experten einschätzen, holen eher eine Finanzberatung ein, weil sie dank ihrer größeren Erfahrung wissen, welche Gefahren die aktuellen Wirtschaftsbedingungen bergen.

Anleger schätzen bei diesen neuen Bedingungen Expertise, weil sie aktiv verwaltete Fonds attraktiver finden

Die Anlagevehikel, die Anleger entweder attraktiver oder weniger attraktiv finden

Ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich Anleger in schwierigen Zeiten an professionelle Berater wenden, ist, dass sie vom Wert eines aktiven Fondsmanagements besonders überzeugt sind. Die Meinungen zu Kryptowährungen und digitalen Assets sind sehr gespalten.

Bei Anlagen gehen Chancen und Risiken oft Hand in Hand. Die Befragten gaben insgesamt an, dass sie risikofreudiger sind – insbesondere die jüngeren Anleger.

Jüngere Anleger sind eher bereit, mehr Risiken einzugehen

Wie vergleichen Anleger ihre Risikobereitschaft heute und vor fünf Jahren?

Neben den Generationsunterschieden gibt es auch regionale Unterschiede. Anleger in den USA stocken das Risiko in ihrem Portfolio auf – 81 % gaben an, dass sie ihre Risikobereitschaft erhöht haben. Dies steht möglicherweise mit den Wirtschaftsbedingungen in Zusammenhang. Die Inflation in der größten Volkswirtschaft der Welt ist von über 9 % Mitte 2022 auf rund 5 % zum Zeitpunkt der diesjährigen Umfrage gefallen, während die Arbeitslosigkeit auf einem niedrigen Niveau verharrt. Vielleicht haben viele US-Anleger das Gefühl, dass sie es sich leisten können, auf Renditejagd zu gehen.

Auch asiatische Anleger erhöhen ihre durchschnittliche Risikobereitschaft. So gaben 62 % der Befragten aus der Region an, dass ihre Risikobereitschaft inzwischen höher ist als vor fünf Jahren. In Europa (einschließlich Großbritannien) sind die Anleger hingegen vorsichtig, insbesondere in Deutschland und Italien. In Europa liegt der Anteil der Befragten, die angaben, dass ihre Risikobereitschaft inzwischen höher ist als vor fünf Jahren, mit 46 % bei weniger als der Hälfte.

Trotz der Veränderungen in der Investitionslandschaft haben sich die Renditeerwartungen der Anleger kaum geändert. Auf die Frage nach ihren realistischen Erwartungen in Bezug auf ihre Renditen in den kommenden fünf Jahren nannten sie eine jährliche Rendite von 11,5 % (11,4 % in der Umfrage von 2022).

Das ist ehrgeizig: Diese Zahl liegt deutlich über den annualisierten Renditen von 8,16 % auf die globalen Aktien des MSCI World Index zwischen seiner Auflegung Ende 1987 und August 2022.

Das ist jedoch alles Zukunftsmusik, wenn es an den Märkten zu einem Jahr kommen sollte, das so brutal ist wie 2022, als die globalen Aktienmärkte gemessen am MSCI World Index um 17,7 % einbrachen.

Um überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen, sind kluge Anlageentscheidungen erforderlich, die in der Regel die Trends identifizieren, die zu steigenden (und fallenden) Märkten führen.

11,3 %
Der durchschnittliche Wert, um den eine Anlage fallen muss, bevor Anleger einen Verkauf in Betracht ziehen
13 %
geben an, dass sie fallende Anlagen nur im Notfall verkaufen

Unter den derzeitigen makroökonomischen Trends gelten KI und eine strengere aufsichtsrechtliche Kontrolle der Technologie bei den Anlegern als am attraktivsten

Wie viele Anleger glauben, dass Trends den Wert ihres Portfolios wahrscheinlich steigern werden?

Die Aufregung rund um KI steht möglicherweise mit einem allgemeinen Interesse an Technologieanlagen in Zusammenhang. Technologietitel erzielten im Jahrzehnt vor der Pandemie sehr hohe Renditen. Diese Titel trugen auch zu den Marktgewinnen in der ersten Hälfte des Jahres 2023 bei. Zuletzt standen sie jedoch unter Druck, da inzwischen klar ist, dass die Zinsen längerfristig auf hohem Niveau verharren werden. Dennoch sind viele Anleger weiterhin von Technologie überzeugt: Internet- und Technologieaktien waren das beliebteste Anlagethema. 65 % der Befragten gaben an, dass sie diese seit sechs Monaten attraktiver finden.

Immobilien sind bei vielen Anlegern ebenfalls beliebt und nehmen unter den thematischen Anlagen den zweiten Platz ein. Darauf folgen die Themen Elektrofahrzeuge und Nachhaltigkeit. Die folgenden Abschnitte des Berichts gehen im Detail auf Denkweisen ein zum Thema Nachhaltigkeit und Anlagen in Private Assets, wie Immobilien.

Trotz der Turbulenzen der vergangenen Jahre sind die Anleger weiterhin optimistisch – insbesondere erfahrenere Anleger.

60 %
der Anleger erwarten in den nächsten zwölf Monaten höhere Renditen als in den vergangenen zwölf Monaten
18 %
der Anfänger glauben, dass ihre Renditen in den nächsten zwölf Monaten niedriger sein werden, verglichen mit
4 %
der Experten*
* Die Befragten beurteilten ihren Wissensstand selbst

„In einer Investitionslandschaft, die zunehmend von den 3Ds der Deglobalisierung, Dekarbonisierung und Demografie geprägt wird, müssen sich die Anleger noch daran gewöhnen, dass die höhere Inflation und die höheren Zinsen bleiben werden. Jede Anlage musste neu bewertet werden, um mit einer Rendite auf Bargeld bei der Bank mitzuhalten zu können. Bewertungen sind wieder wichtig. Im Vergleich zu den letzten 15 Jahren müssen Sie jetzt flexibler und aktiver investieren. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass sich manche Anleger schneller anpassen als andere.“

Johanna Kyrklund

Co-Head of Investment and Group Chief Investment Officer

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